Wie lange noch eine Lehrerbildung für das "niedere" und das "höhere Schulwesen"?
Januar 2007
Eine Reform, die stecken blieb
Die Forderung nach einer wissenschaftlichen Ausbildung aller Lehrerinnen und Lehrer, auch derjenigen, die an Volksschulen unterrichten, ist alt und war bereits ein wichtiges Thema in der bürgerlichen Revolution von 1848. Ist diese Forderung mit der Verlagerung Pädagogischer Institute an die Universität nicht endlich erfüllt? Diese auf den ersten Blick revolutionäre Neuerung enthielt und enthält immer noch einen Störfaktor, der das Jahrhundertprojekt entscheidend beeinträchtigt. Unter dem weiten, von der Öffentlichkeit schwer einsehbaren Mantel der Universität blieb ein Eckwert unangefochten bestehen, der die Integration nicht nur behinderte, sondern letztlich scheitern ließ: die unterschiedliche Dauer der Pflichtsemester von sechs für die akademischen Neubürger gegenüber acht für die Gymnasialstudierenden, - mit all den Folgen für die Wahl des Studiengangs (Grundschule, Haupt- und Realschule oder Gymnasium), für die Qualität des jeweiligen Studiums, für das spätere Lehrdeputat, die Besoldung und das gesellschaftliche Ansehen.
Wer wie ich in seiner täglichen Arbeit als Fachdidaktiker die Erfahrung machen musste, wie die Sechs-Semester-Studierenden mit einem Vielerlei an Anforderungen herumgescheucht wurden und doch nirgendwo wissenschaftlich Fuß fassen konnten und wie sie für ihr indertat stärker berufsorientiertes Studieninteresse die geballte Verachtung der Fachwissenschaften traf, dem erwies sich bald die revolutionäre Tat als folgenreiche Halbheit, die den größten Teil der Lehramtsstudierenden rasch zu ungeliebten akademischen Schmuddelkindern machte.
Als ein besonderes Problem erwies sich diese steckengebliebene Reform in den Bundesländern, in denen in den 60er und 70er Jahren Gesamtschulen gegründet wurden, für die weder ein eigener Studiengang eingerichtet noch eine Stufenlehrerausbildung für die Sekundarstufe I beschlossen wurde. So unterrichten in Hessen an Kooperativen Gesamtschulen mit Förderstufe Lehrer/innen für das Lehramt an Grundschulen, an Haupt- und Realschulen und an Gymnasien nebeneinander mit dem Auftrag, über ihre Ausbildungs-, Besoldungs- und Deputatsdifferenzen hinweg, dem Namen dieses Schultyps entsprechend zu kooperieren. Nicht viel besser ging und geht es den Integrierten Gesamtschulen. Da unterrichten nach einem bestimmten Schlüssel Lehrer/innen für Haupt- und Realschulen und Gymnasien. Sie arbeiten zunächst in einem integrierten System, bis es dann in bestimmten Fächern zu einer A/B- oder gar A/B/C-Differenzierung kommt und die Frage auftaucht, wer für die A-, die B- oder die besonders wenig geliebten C-Kurse zuständig ist.
Modernisieren statt reformieren
In Nordrhein-Westfalen, neben Hessen der andere Flächenstaat mit einem hohen Anteil an Gesamtschulen, wurde eine Stufenlehrerausbildung beschlossen, die in den letzten Jahren der Regierung Rau in mehren Expertenkommissionen weiterentwickelt wurde und deren Empfehlungen in einem Parlamentsbeschluss von Rot/Grün ihren Niederschlag fanden. Brigitte Schumann, die einstige bildungspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion der Grünen in NRW, fasst die "Eckpunkte" des Beschlusses vom 13.März 1999, der weiterhin "eine grundständige Ausbildung" vorsah, so zusammen:
- ein Studium an Universitäten und Gesamthochschulen in der ersten Phase mit einem vergleichbaren Grundlagenwissen und der Befähigung, in zwei benachbarten Schulstufen und verschiedenen Schulformen kompetent zu unterrichten;
- die Stärkung der Erziehungswissenschaften;
- die Stärkung der Fachdidaktiken durch Verknüpfung und Abstimmung fachdidaktischer und fachwissenschaftlicher Lernangebote;
- die Konfrontation mit dem Berufsalltag und die Überprüfung der Berufsentscheidung durch schulpraktische Studien von Anfang an, eine längere Praxisphase nach dem Grundstudium teils an der Schule, teils in Einrichtungen der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit. (Frankfurter Rundschau, 15.3.01,S.6)
Statt der Aufforderung des Landtags zu entsprechen und ein reformiertes Konzept für die Lehrerbildung zu erarbeiten, veröffentlicht die Regierung unter Wolfgang Clement und der Ministerin für Schule, Wissenschaft und Forschung, Gabriele Behler, das Gutachten eines Expertenrates zur Umstrukturierung der Hochschullandschaft in NRW. In dieser 6oo-seitigen Expertise finden sich 10 Seiten zur Lehrerbildung, in denen das angelsächsische Modell eines Bachelor- und Masterstudiums auch für die Lehrerbildung empfohlen wird.
Die Empfehlung der Expertengruppe, in der unter der Federführung eines Juristen kein einziger Pädagoge saß, löste unmittelbar vor der Veröffentlichung der ersten PISA-Studie eine heftige Debatte aus, zumal die Ministerin keinen Hehl daraus machte, dass sie mit der Arbeit der Experten ganz zufrieden war. Dass das von den Experten empfohlene rein fachwissenschaftliche Bachelor-Studium abgemildert wurde, war wohl weniger der Einsicht der Ministerin geschuldet als den Mindeststandards, auf die sich die Kultusministerkonferenz für die verschiedenen Lehrämter gerade geeinigt hatte.
Karl-Heinz Heinemann, der die Debatte in NRW aus der Nähe beobachtet hat, fragte nach, wie das "konsekutive" Konzept der Lehrerbildung aussehen könnte, wenn der Bachelor nach allgemeiner Übereinkunft zwar ein berufsbefähigender Abschluss sein sollte, nicht aber für ein Lehramt. Darauf habe die Ministerin vorsichtig durchblicken lassen, sie könne sich für Grund und Hauptschullehrer/innen vorstellen, es auch einmal mit einem Bachelor zu versuchen. Ist das ein Zurück zur "Lehrerbildungsanstalt für die Volksschulen", fragt Heinemann, zumal die Ministerin ankündigte, den Stufenlehrer wieder abzuschaffen und nur noch das Lehramt an Gymnasien höher zu besolden. Auf die Frage, "wie man dann noch Lehrer für die größeren Herausforderung gewinnen will, in den Hauptschulen die Benachteiligten zur Chancengleichheit zu führen", erfährt Heinemann, dass auch die Ministerin lieber eine Bezahlung nach Leistung sähe und danach müssten die Hauptschullehrer mehr bekommen, nur leider verhindere dies das Beamtenrecht. (Frankfurter Rundschau, 31.5.01, S.6)
In einem Beitrag in der ZEIT vom 26.7.01 bestätigt Gabriele Behler ihre Überlegung, es mit dem Bachelor als Studienabschluss auch in der Lehrerbildung einmal zu versuchen. Man müsse nur weitergehen als der Expertenrat, der "die Erziehungswissenschaft und die Didaktik nur dem Master-Studium" zuordne; denn warum sollte es nicht einen Bachelor geben, "dessen Berufqualifizierung im Vermittlungswissen" bestehe, womit man sowohl in der Grundschule unterrichten könne als auch in vielen Unternehmen, "die erkennen, dass von der Personalführung bis hin zur Produktvermarktung Vermittlungskompetenzen unverzichtbar" seien. Oder warum nicht auch einen Bachelor, "der die Vermittlung deutscher Sprache und Kultur für Zugewanderte vorsieht und dessen Träger in der Hauptschule (Deutsch und Gesellschaftswissenschaften) genauso tätig werden kann wie in Maßnahmen der Arbeitsverwaltung oder bei der Volkshochschule".
Ein Bachelor für die Grundschule oder die Hauptschule und durchaus mehr Geld für die Arbeit an Hauptschulen, wenn einem als Ministerin nicht durch das Beamtenrecht die Hände gebunden wären, - da ist sozialdemokratische Schulpolitik, wie sie unter Johannes Rau, noch vor PISA, in die Wege geleitet wurde ("Haus des Lernens"), schlicht auf den Hund gekommen.
Von den Problemen, Integrierte Gesamtschulen zu haben ohne ausgebildete Gesamtschullehrer/innen oder eine Stufenlehrerausbildung für die Sekundarstufe I, ist das lange CDU-regierte Rheinland-Pfalz wenig tangiert. Auch nach mehreren sozialdemokratischen Legislaturperioden kommt das Land auf einen Schüler/innen-Anteil an Integrierten Gesamtschulen von gerade einmal 4 Prozent (NRW 14, Bremen 15, Hessen 16, Hamburg 25, Berlin 28, Brandenburg 46)(Erziehung & Wissenschaft 11/06, S.28). Während das kleine Bundesland bei der Einrichtung von Ganztagsschulen eine Vorreiterrolle in Deutschland spielt und auch in der vorschulischen Bildung Akzente setzt, gab es aus Mainz keinerlei Impulse, als nach PISA 2000 wieder über die Schulstruktur debattiert wurde, auch nicht, als das Land den Vorsitz in der KMK innehatte und der Bund unter seiner sozialdemokratischen Bildungsministerin auf ein integriertes System in der Sekundarstufe I setzte.
Spitze war Mainz dann wieder, als es um ein BA/MA-Lehramtsstudium ging, das Europa- und KMK-kompatibel sein sollte. Am 12.3.02, als die deutsche Öffentlichkeit noch unter PISA-Schock stand, veröffentlichte das Mainzer Wissenschaftsministerium ein "Duales Studien- und Ausbildungskonzept", in dem das vermieden wurde, was in NRW namhafte Erziehungswissenschaftler als das Ende einer seriösen Lehrerbildung kritisierten ("Mit einem Schnelltraining in den Lehrerberuf", Frankfurter Rundschau, 20.6.01, S.7).
Der sechssemestrige Rheinland-Pfalz-Bachelor sieht für alle Lehramtsstudierenden vor Studienbeginn ein sechswöchiges Orientierungspraktikum vor und beginnt mit der Fachwissennschaft, inklusive 15 – 20 Prozent Fachdidaktik, dazu "Bildungswissenschaften" und begleitende Schulpraktische Studien. Das dritte Bachelor-Jahr dient der "Profilbildung" nach Schularten bzw. nach Berufsfeldern für die, die mit dem Bachelor-Abschluss die Universität verlassen. Für alle Lehramtsstudierenden ist ein Master-Studium verpflichtend, in dem allerdings die Fachdidaktik fehlt. Für das Lehramt an Grund- , Haupt- und Realschulen dauert der Master zwei Semester, für das Lehramt an Sonderschulen drei und an Gymnasien und Berufsbildenden Schulen 4 Semester.
Die Pointe dieses konsekutiven Konzepts ist, dass jetzt alle angehenden Lehrer/innen acht Semester studieren, alle im Bachelor-Studium zu gleichen Prozentanteilen auch Fachdidaktik betreiben; der feine Unterschied aber bleibt erhalten, als Studierende für das Lehramt an Gymnasien mit ihren jetzt 10 Pflichtsemestern für ihre fachlichen und schulpraktischen Studien im Master-Studium die doppelte Zeit zur Verfügung haben, - ein schöner Ausgleich quasi für die größere Praxisferne dieses Studiengangs, seit es ihn gibt. So abstrus kann es werden, wenn man ein schulformbezogenes Lehramtsstudium in das BA/MA-Schema einpasst und weiterhin an dem Glauben festhält, dass das Unterrichten 10- bis 18-Jähriger am Gymnasium, im selektiven System die Leistungsstärksten, ein qualitativ höherwertiges wissenschaftliches Studium begründet, als das Unterrichten von 10- bis 15/16-Jährigen an Haupt- und Realschulen oder von 7- bis 10-Jährigen an Grundschulen.
Ein Lehramt in einer Schule für alle
Die Diskussion über Konzepte wie in NRW und Rheinland-Pfalz, die Lehrerbildung zu europäisieren, ohne an ihrer hierarchischen Struktur etwas zu ändern, ja die Hierarchie, wie in NRW, möglichst lupenrein wiederherzustellen, wurde überlagert durch die Veröffentlichung von PISA 2000 Ende 2001. Alle Aufmerksamkeit einer aufgeschreckten Öffentlichkeit war erst einmal auf die mehr als bescheidenen Ergebnisse gerichtet und auf die skandalöse Tatsache, das es trotz aller Reformen der 60er und 70er Jahre ("Ausschöpfen aller Begabungsreserven") nicht gelungen ist, die soziale Selektion unseres Schulsystems spürbar zu vermindern.
Erst die Frage nach den Ursachen für den hohen Anteil leistungsschwacher Schüler/innen aus vorwiegend bildungsfernen Familien ("Risikogruppe") und einer trotz permanenter Auslese kleinen Leistungsspitze gerieten Lehrerinnen und Lehrer ins Blickfeld. Da für die politisch Verantwortlichen in der KMK das hochselektive System an seiner Leistungsschwäche nicht schuld sein durfte, blieben am Ende die Lehrer/innen, die mit mehr Output-Kontrolle durch Vergleichsarbeiten und standardisierte Abschlussprüfungen stärker unter Druck gesetzt werden sollen. Wie aber soll eine Lehrerschaft, die von Prüfungen in zu großen Klassen überhäuft, durch erhöhte Lehrdeputate und wachsende Erziehungsprobleme bei familiär vernachlässigten Kindern bereits mehr als genug belastet ist, durch ein bloßes Draufsatteln zu besserem Unterricht zu motivieren sein?
Inzwischen wächst die Einsicht in den engen Zusammenhang von Schulstruktur und Unterrichtsqualität und die Stimmen aus der Wissenschaft, der organisierten Elternschaft und zunehmend auch aus der Wirtschaft werden drängender, uns von einem System zu verabschieden, das nicht erst am Ende der Grundschule, sondern bereits vor dem Schuleintritt (Zurückstellungen) Kinder in Gewinner und Verlierer sortiert, um sie mit 10 Jahren in Schulformen mit extrem unterschiedlichen Bildungs- und Leistungsansprüchen und Berufsperspektiven einordnen zu können. Und dieser für die Verlierer demütigende und für die Gewinner womöglich charakterschädigende Vorgang geht dann weiter bis zum Ende der allgemeinbildenden Schulzeit. Es wächst die Einsicht, dass ein destruktives, defizitorientiertes System, von dem sich die meisten unserer europäischen Nachbarn längst getrennt haben, enorme Ressourcen an Zeit und Energie verbraucht, die dringend für die Entwicklung einer anderen Lern- und Unterrichtskultur gebraucht würden.
Ein nicht-hierarchisches, von der Last des Aussortierens befreites System von 1 bis 9/10, in dem das "niedere" und "höhere" Schulwesen aus grauer Vorzeit endlich ein rühmliches Ende findet, braucht eine Lehrerschaft ohne Trennung in den "gehobenen" und den "höheren" Dienst, der sich durch nichts außer dem Beamtenbesoldungsgesetz mehr rechtfertigen lässt.
Im Juni 1997 veröffentlichte die Arbeitsgemeinschaft für Bildung in der SPD (AfB) ein "Lehrerbildungskonzept", das in seinen strukturellen Kernaussagen "die Abkehr von der bisherigen Orientierung an verschiedenen Beamtenlaufbahnen" fordert. Eine veränderte Schülerschaft in allen Schulstufen und Schularten stelle "Qualitätsanforderungen an Lehrerinnen und Lehrer", "die die bisherigen Unterschiede in der Ausbildungszeit und Besoldung für die Lehrämter nicht mehr rechtfertigen". Gefordert wird darum "ein viersemestriges gemeinsames Grundstudium für alle Lehrämter als allgemeine Berufsperspektive, ein viersemestriges Hauptstudium mit je zwei Stufenschwerpunkten (Primarstufe/Sekundarstufe I oder Sekundarstufe I und II). Das Grundstudium soll vielfältig Gelegenheit bieten, in den "Schulpraktischen Studien" "Schulen aller Stufen und Schulformen mit ihren pädagogischen und förderdiagnostischen Besonderheiten" kennen zu lernen und dabei die "individuellen Motive für die Aufnahme des Lehrerstudiums zu hinterfragen". Am Ende des Grundstudiums sollen die Studierenden dann ihre Berufsentscheidung geprüft haben und in einem Beratungsgespräch "ihre Wahl der Stufenschwerpunkte für das Hauptstudium begründen".
Im September 1997 hat der Bundesvorstand der SPD das Konzept der Arbeitsgemeinschaft als "Positionspapier" beschlossen, was, wie oben gezeigt, sozialdemokratisch regierte Länder nicht daran hinderte, bald danach ganz andere Konzepte zu entwickeln. Bezogen ist das AfB-Konzept noch auf das gegliederte System, wenn auch stimuliert durch den oben beschriebenen Zustand unterschiedlicher Lehrämter an Gesamtschulen. Mit PISA 2000 und dem Projekt, Studien und Studienabschlüsse in Europa besser kompatibel zu gestalten (Bachelor/Master, Bologna-Prozess), sah sich die AfB 2002 genötigt, ihr Lehrerbildungskonzept zu aktualisieren.
Das Konzept der "gleichwertigen Lehrämter", heißt es in einer Vorbemerkung, sei "inzwischen auch durch die Ergebnisse der PISA-Studie bestätigt worden". "Lehrerinnen und Lehrer, die in der Grundschule alle und in der Hauptschule, Realschule und Integrierten Gesamtschule den größten Teil der Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern und mit Migrationshintergrund unterrichten", brauchten "die gleiche wissenschaftlich fundierte Ausbildung wie Lehrerinnen und Lehrer, die an Gymnasien die in unserem System Erfolgreichen unterrichten".
Die sachlich gebotene Neuorientierung der Lehrerbildung dürfe "bei der anstehenden Umstrukturierung der ersten Phase nach den internationalen Prinzipien eines Bachelor – und Masterstudiums nicht wieder versäumt werden und an besoldungsrechtlichen Barrieren scheitern". Und da die AfB mit ihren Vorschlägen in einer Partei wirksam werden will, heißt es zur Besoldung weiter: "In der augenblicklichen Finanzsituation des Staates kann das nur heißen, dass ein novelliertes Besoldungsgesetz für Berufsanfänger im Schuldienst kostenneutral zu gestalten ist".
Wohl mit Blick auf den im März 2002 veröffentlichten rheinland-pfälzischen Plan zur Umstrukturierung der Lehrerbildung setzt sich für die AfB gegen eine polyvalente Orientierung des sechssemestrigen Bachelor-Studiums die Auffassung durch, "dass der wünschenswerte und verstärkte Praxisbezug auch in einem Bachelor-Studiengang organisiert werden" kann, "der einen eigenen Abschluss (z.B. ‚Bildungswissenschaften’) erhält" und "auf den die vertiefende Berufsausbildung im Master-Studium folgt".
Der Vergleich des AfB-Plans mit dem rheinland-pfälzischen ergibt im Bachelor-Studium einen höheren Studienanteil der Fachdidaktik (statt 15-20% 30%). Das Master-Studium, "die vertiefende Berufsausbildung", dauert im AfB-Plans für beide Schwerpunktsetzungen "Primarstufe/Sekundarstufe I" und "Sekundarstufe I und II" vier Semester und enthält, wie im Bachelor-Studium, einen Anteil der Fachdidaktik von 30%.
Auch der 2002 aktualisierte AfB-Plan von 1997 bleibt bezogen auf das gegliederte System der Sekundarstufe I.. Erst als die AfB 2006 eine weitere Aktualisierung für angebracht hielt und ihre detailliert begründetes Konzept in die handliche Form eines "Leitantrags" an die Bundeskonferenz der Arbeitsgemeinschaft goss, war auch die seit PISA 2000 wieder aufgelebte Schulstruktur-Debatte ein Thema. In dem Text fühlt sich die AfB in ihren "Anforderungen an das Lehrerleitbild und für gleichwertige Lehrämter" "durch die Gestaltung von Schulsystem und Lehrerbildung der bei PISA 2000 und 2003 erfolgreichen Länder" ebenso bestärkt wie durch die "inzwischen erfolgten nationalen (Bericht der Terhart-Kommission), internationalen (OECD 2003) und europäischen Impulse (Bologna-Prozess)". Kritisiert werden darum die am 3.Juli 2005 von der KMK beschlossenen Eckpunkte zur gegenseitigen Anerkennung von Bachelor- und Masterabschlüssen, "die die von der OECD kritisierte ‚Fragmentarisierung’ der Lehrerbildung entsprechend dem ebenso fragmentarisierten Schulwesen unverändert" lasse. Ausdrücklich werde an der Differenzierung des Studiums und der Abschlüsse nach Lehrämtern festgehalten, "die sich in unterschiedlicher Studiendauer wie die bisherigen Lehramtstudiengänge" manifestiere. Damit schreibe die KMK auch den Zustand fort, dass an Gesamtschulen "zwei Lehrertypen mit unterschiedlichen Anforderungen in der Ausbildung und unterschiedlichem Einkommen unterrichten". Dieser Zustand sei nun "überall dort endgültig obsolet, wo nach PISA ernsthaft über eine integrierte Sekundarstufe I nachgedacht" werde und "bereits Pläne für den Prozess der Umgestaltung vorgelegt" würden.
Wenn das von der AfB konzipierte Lehramt mit jeweils zwei Stufenschwerpunkten auch die institutionelle Voraussetzung dafür sein soll, dass die Übergänge von einer Stufe zur nächsten fließend gestaltet werden können, so stellt sich die Frage, ob nicht für den verstärkt geforderten fließenden Übergang von der Vorschule zur Grundschule auch ein Lehramt geschaffen werden muss. Da immer mehr Erkenntnisse vorliegen, wie bedeutsam die kindliche Entwicklung vor der Schulzeit für die kognitive, emotionale, soziale und sprachliche Weiterentwicklung in der Schule ist, gibt es kaum noch Widerspruch gegen eine Höherqualifizierung der Erzieher/innen, etwa in einem Bachelor-Studium an der Fachhochschule.
So sehr ein solches Hochschulstudium die Arbeit der Erzieherin aufwertet, der Statusunterschied zur universitär ausgebildeten Grundschullehrerin bleibt erhalten und wird die Zusammenarbeit der beiden Institutionen erschweren. Auch eine solche Höherqualifizierung hält, gegen alle Erkenntnisse über die besondere Bildsamkeit in der frühen Kindheit und über die immer wichtiger werdende Kompensation familiärer Erziehungs- und Bildungsdefizite, das gesellschaftliche Vorurteil aufrecht: Für die Kleinen tut es auch eine minder qualifizierte Ausbildung, was eine geringere Entlohnung und natürlich auch ein geringeres gesellschaftliches Ansehen zur Folge hat. Und das wiederum wird sich weiterhin negativ auswirken auf die Wahl des Studiengangs und wird auch an dem zurecht beklagten Zustand wenig ändern, dass schon in der Grundschule, stärker aber noch in vorschulischen Einrichtungen so gut wie keine Männer als Bezugspersonen für die Kleinen da sind.
Eine wirkliche Alternative zum Status quo ist darum nicht der Bachelor für Erzieher/innen, sondern ein Lehramt für den Elementar- und Primarbereich, gleichwertig mit dem Lehramt Primarstufe/Sekundarstufe I und Sekundarstufe I und II, was Ausbildungsdauer und Besoldung betrifft, - mit einem gemeinsamen Bachelor-Studium, in dem auch die Motive für die Wahl eines bestimmten Studiengangs hinterfragt werden und mit einem Master-Studium, das sich konzentriert auf den gewählten Schwerpunkt "Elementar- und Primarstufe" und das befähigt, sowohl in der Vorschule als auch in der Grundschule zu arbeiten. Die Investitionen in ein solches Lehramt könnten, mit Blick auf die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, eine höher Priorität beanspruchen und einen besseren Effekt erzielen, als die Abschaffung sozial gestaffelter Kindergartenbeiträge oder als das von oben nach unten sozial gestaffelte Elterngeld.
Die oben skizzierten Konzepte zur Umstrukturierung der Lehrerbildung in NRW (2001) und Rheinland-Pfalz (2002) im Vergleich mit dem Lehrerbildungskonzept der AfB machen deutlich, wie sehr die Bildungspolitik der SPD in die föderale Kleinstaaterei verstrickt ist; wie wirkungslos das 1997 vom Bundesvorstand der Partei beschlossene "Positionspapier" zur Lehrerbildung gerade dort geblieben ist, wo SPD-regierte Bundesländer für inhaltliche Reformen auch die strukturellen Rahmenbedingungen hätten schaffen können. In dieser vertrackten Situation bleibt nur die Hoffnung, dass die SPD in den Ländern auf dem Stand der Erkenntnisse der aktuellen Bildungsforschung ein neues Programm formuliert, in dem das "Megathema Bildung" für anstehende Wahlauseinandersetzung nicht wieder ängstlich kleingeredet und sowohl für die Vorschule als auch für eine Schule für alle endlich eine Lehrerbildung konzipiert wird, die einem an Bildungsgerechtigkeit orientierten System entspricht.