Prof. Dr. Valentin Merkelbach

Eine neue Lehrerbildung für die alte Schule?

Mai 2010

Die Bemühungen um eine Reform der Lehrerbildung in der Kultusministerkonferenz und in einzelnen Bundesländern haben durch das europaweit angestrebte Strukturmodell eines Bachelor-Master-Studiums („Bologna-Prozess“), aber auch durch die Ergebnisse der PISA-Studien 2000 bis 2006 neue Aktualität und eine besondere Dringlichkeit erfahren. Jede Reformmaßnahme in unserem als leistungsschwach erkannten Schulsystem setzt voraus, dass Lehrerinnen und Lehrer, die Hauptakteure jeder Veränderung an unseren Schulen, dafür gewonnen werden und dass ihre Professionalität auf neue Herausforderungen hin erweitert wird. Von zentraler Bedeutung dürfte dabei die Frage sein, ob es den politisch Verantwortlichen gelingt, die historische Spaltung der Lehrerschaft, für die es keine sachlichen Gründe mehr gibt, zu überwinden, um so, ohne Statusbarrieren, Kooperation über Schulstufen und Schulformen hinweg zu ermöglichen.

Die Frage ist allerdings, ob eine solche grundlegende Reform der Lehrerbildung zu mehr Unterrichtsqualität führen kann in einem nach wie vor ausleseorientierten System unterschiedlich anspruchsvoller Schulformen. Diesem Zusammenhang ist der Bielefelder Erziehungswissenschaftler Eiko Jürgens nach Erscheinen von PISA 2000 nachgegangen. (Frankfurter Rundschau, 10.4.02, S.7)

FürJürgens bestimmt das „permanente Nebeneinander von Zwang und Wunsch nach Auslese und Einheitlichkeit, damit man in der Klasse und in der Schule die ‚Richtigen’ hat“, „das gesamte berufliche Leben des Lehrers“. Die Dominanz der Auslesefunktion überforme alle pädagogischen Maßnahmen. Je mehr man allerdings nach Homogenität strebe, umso weniger toleriere man „Heterogenität als die eigentliche Ausgangslage pädagogischen Handelns“. Eine Folge davon sei:

Von einem Hauptschüler wird weniger als von einem Realschüler verlangt, von diesem wiederum weniger als vom Gymnasiasten, und zwar nicht nur quantitativ, sondern – und dies ist ausschlaggebend – ebenfalls qualitativ. Die Lehrer denken und handeln in schulformspezifischen Milieus, die scharf voneinander abgegrenzt werden.

Selektivität und Homogenitätsansprüche enthalten, so Jürgens, „einen begabungstheoretischen Legitimationskern, der sich im Lehrerbewusstsein festgesetzt hat und zu der irrigen Auffassung (ver)führt, ein Hauptschüler müsse, damit er nicht intellektuell überfordert werde, beispielsweise von abstrakten Denkvorgängen verschont bleiben“. Weil diese Bewusstseinslage der Lehrer/innen entscheidend sei, werde „die nach PISA ausgegebene Losung, den Unterricht stärker zu differenzieren und dem Umgang mit Heterogenität den Vorzug zu geben, nicht zu einer pädagogischen Wende im großen Stil führen“. Jürgens Fazit:

Erst wenn man an die Köpfe der Lehrer herankommt und diese verändern kann, wird sich tatsächlich in unserem Schulwesen Nennenswertes bewegen (lassen). Die Schulstrukturfrage ist von der inhaltlichen Frage nach Verbesserung des Unterrichts nicht zu trennen, weil nur auf diesem Wege Heterogenität zum Programm gemacht werden kann, in den Klassen und in den Lehrerköpfen. Damit sollte in der Lehrerbildung, wo denn sonst, begonnen werden.

Wissenschaft auf den Beruf beziehen

Der von Eiko Jürgens aufgezeigte Zusammenhang von Schulstruktur, Unterrichtsreform und Lehrerbildung spielt in den zahlreichen Vorschlägen und Konzepten zur Reform der Lehrerbildung eine nur untergeordnete Rolle. Konsens besteht jedoch weitgehend in der uralten Forderung, Theorie und Praxis, Studium an der Universität undschulpraktisches Studium vor Ort stärker aufeinander zu beziehen. Und Konsens besteht auch in der Befürchtung, dass bei Einführung des Bachelor-Master-Modells in die Lehrerbildung die Forderung nach stärkerem Praxisbezug durch einen möglichst „polyvalenten“ Bachelor konterkariert würde.

„Praxisgerechtere Lehrerausbildung“

In einer umfangreichen Monografie zum Thema „Heterogenität im Klassenzimmer“ hat Heinz Klippert sehr detailliert praktische Unterrichtserfahrungen und Ergebnisse wissenschaftlicher Studien dargestellt. Er geht von der These aus, dass trotz intensiver Bemühungen im hochselektiven deutschen Schulsystem homogene Lerngruppen zu organisieren, Heterogenität, mehr oder minder ausgeprägt, die zentrale Herausforderung von Unterricht ist. (Klippert 2010)

In einem einleitenden Kapitel „Die Tücken des gegliederten Schulsystems“ erörtert Klippert die aktuelle Strukturdebatte mit dem Trend zu einem Zwei-Wege-Modell aus Gymnasium und einer zweiten Schulform aus Haupt- und Realschule und der Gesamtschule, wo es sie gibt. Das Gymnasium bleibe gesetzt, auch wenn es „mittlerweile immer weniger mit dem zu tun“ habe, „was ursprünglich mal als ‚elitäre Bildungsstätte für die deutsche Oberschicht’ gedacht war“. Das neue Strukturmodell dürfte wohl bei Lehrerverbänden und Bildungspolitiker/innen als praktikable Kompromisslösung durchgehen. Die Selektionsproblematik werde so „zwar nicht wirklich behoben, wohl aber in ihrer Wirkung abgemildert“. Das sei „mehr als nichts, aber weniger als nötig“. (S.37)

Ohne auf eine wirkliche Gesamtschule unter Einschluss des Gymnasiums warten zu können und weil der Umgang mit Heterogenität die zentrale Herausforderung jeder die Schulform übergreifenden Unterrichtsreform darstellt, skizziert Heinz Klippert am Ende seines Buches, wie eine Reform der Lehrerbildung aussehen sollte, die der Heterogenität einer Lerngruppe angemessen ist.

Auch Klippert nennt wie viele vor und mit ihm als zentrale Schwachstelle der universitären Ausbildung deren geringen Praxisbezug. Die Wissenschaft stehe „traditionell über der realen Welt des Unterrichts“. Viele Hochschulvertreter insistierten bis heute darauf, „dass die universitäre Ausbildungsphase weniger für die konkrete Vorbereitung auf den Lehrerberuf, sondern vor allem und zuerst für die wissenschaftliche Hintergrundsvermittlung zuständig sei“. Es entfalle so „die verbindliche Aufgabe, Theorie und Praxis ernsthaft aufeinander zu beziehen und miteinander zu verzahnen“. Jede Theorie erhalte jedoch „erst im Spiegel der Praxis ihre Berechtigung“ und theoretische Erkenntnisse, „die nicht praxiswirksam werden“, seien „in der Regel ‚totes Wissen’, das die Köpfe verstopft, aber keine wirklich Handlungskompetenz induziert“. Handlungskompetenz aber sei und bleibe „die genuine Aufgabe der Lehrerbildung“. Die Bildungspolitik verhalte sich jedoch „traditionell höchst kulant gegenüber all jenen Hochschullehrer/innen, denen die elementare Praxisvorbereitung der Studierenden eher ein Dorn im Auge“ sei. (S.283 f.)

Ein Missverständnis wäre es allerdings für Klippert, einen stärkeren Praxisbezug gegen den Wissenschaftsbezug auszuspielen. Wissenschaftlich fundierte Reflexion und Erkenntnisgewinnung seien nötig, damit „Praxisdeutungen“ nicht beliebig werden. Praxisbezug bedeute auch nicht nur mehr Praktika, „sondern ganz generell, dass viel stärker als bisher von schulpraktischen Gegebenheiten und Handlungsmöglichkeiten ausgegangen“ werde und dabei „dem Umgang mit Heterogenität im Klassenraum deutlich erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen“ sei. Mehr Praxisbezug bedeute für die Hochschule, neue Akzente zu setzen und verstärkt „aufErfahrungslernen und Methodenlernen, auf Teamentwicklung und Problemlösungstraining“ abzustellen.

Die entsprechenden „Learning by Doing“-Verfahren sind vielfältig – angefangen bei Unterrichtssimulationen, Hospitationen, Fallbesprechungen und Methodentrainings über Teamsitzungen, Diagnosetrainings, Rhetorikschulung und produktive Workshops bis hin zu Videostudien, Schülerbefragungen, Schulpraktika und ersten praktischen Unterrichtsversuchen und-besprechungen. (S.285)

Massiv kritisiert Klippert – und ich kann ihm aus jahrzehntelanger Erfahrung als Fachdidaktiker nur zustimmen - , dass viele Hochschullehrer/innen sich aus schulpraktischen Studien ausklinken und diese Arbeit Personen überlassen, die „in der Statushierarchie der Hochschule ziemlich unten rangieren“. In der Schule jedoch „ohne rechten Kompass und fundierte ‚Forschungsaufträge’ einfach nur mitzuschwimmen“, sei gewiss nicht das, was Studierende „in Sachen Berufsverständnis vorwärtsbringen“ könne. „Wem präzise Aufgaben und Beobachtungskriterien für die eigene Praktikumsarbeit“ fehlten, der werde „von seinem Schulpraktikum in der Regel nicht viel mitnehmen können“. (S.287)

Nach Klipperts Erfahrung verlaufen Praktika „umso erfolgreicher, je passgenauer sie betreut und konzipiert werden“. Liege etwa der Schwerpunkt auf dem Problemfeld „Umgang mit Heterogenität“, sollte man nicht irgendwelche Schulen auswählen, „sondern ganz dezidiert solche, die möglichst überzeugende Problemlösungen anzubieten haben“. Klippert plädiert für ausgewiesene „Lernschulen“, die „sowohl eine breite Schülerstreuung aufweisen als auch anregende Versuche und Strategien vorzuweisen haben, wie es Lehrkräfte schaffen, effektive, differenzierte und zeitsparende Förder- und Integrationsarbeit in heterogenen Lerngruppen zu leisten“. Vieles spreche dafür, „lieber mehrere Praktikant/innen zeitgleich in ein und derselben Schule unterzubringen, als sie auf mehrere Schulen zu verteilen“. Dies begünstige „sowohl die Teamarbeit und die Kommunikation der Studierenden als auch eine relativ professionelle Betreuung in der Schule selbst“.

Eine größere Praktikantenzahl hat gleich einen doppelten Effekt: Erstens gibt es mehr Stunden zur Entlastung der schulinternen Praktikumsbetreuer. Das erhöht die Attraktivität dieser Serviceaufgabe. Zweitens spielen sich unter den genannte Vorzeichen sehr viel schneller professionelle Betreuungs-, Beratungs-, Hospitations-, Dokumentations- und Auswertungsverfahren ein, die letztlich allen Beteiligten zugute kommen. (S.288)

„Was, wenn nicht Bildung für den Beruf im Medium der Wissenschaft?“

Heinz Klipperts Skizze einer stärker praxisorientierten universitären Lehrerbildung erfolgt aus der Perspektive des Lehrers mit langjährigen Erfahrungen auch aus der Lehrerfortbildung. D.h. der Fokus seiner Überlegungen liegt auf den schulpraktischen Studien, ohne auf die Integration der fachspezifischen Studien näher einzugehen, die sich neuerdings auch unter dem Aspekt eines Bachelor-Master-Studiums mit besonderer Dringlichkeit stellt. Unter der oben zitierten Fragestellung diskutiert der Frankfurter Erziehungswissenschaftler Andreas Gruschka aus der Perspektive der Universität die Forderung nach mehr Berufsbezug universitärer Bildungsgänge im Allgemeinen und des Lehrerstudiums im Besonderen. (Gruschka 2010)

Mit der neuen Studienstruktur von Bachelor und Master kommen für Gruschka zwei alte polare Zielsetzung wieder ins Spiel: „Bildung durch Wissenschaft steht gegen Ausbildung für Berufe.“ Sollt etwa der Bachelor-Student am Ende seines Studiums „Beschäftigungsfähigkeit“ (employability) besitzen, so müsse man doch dafür sorgen, „dass er tatsächlich einstellungsfähig qualifiziert wird“. Wie aber, fragt Gruschka, soll die Universität in sechs Semestern eine Aufgabe lösen, die sie in acht und mehr Semestern nicht hat lösen können. Es müsse darum zunächst geklärt werden, ob es überhaupt sinnvoll oder gar notwendig ist, Wissenschaft und die Ausbildung für einen Beruf miteinander zu verbinden. Dazu könne hilfreich sein, erst einmal den Unterschied von Wissenschaft und Ausbildung deutlich zu machen. (S.5 f.)

Für Gruschka ist die Unterscheidung von Theorie und Praxis, die „Herstellung von Erkenntnissen“ und die Frage nach ihrer Nutzung notwendig. Wissenschaft sei „in der Form wissenschaftlichen Tuns Praxis“ und könne zunächst nicht „Praxis für andere“ sein. An der Universität lerne man also erst einmal „ das Forschen als spezifische Praxis“. Wissenschaft komme allerdings wieder ins Spiel, wo, wie in den Berufswissenschaften, „Praxis zum Gegenstand der wissenschaftlichen Reflexion und Forschung gemacht wird“. (S.6)

Bezogen auf die universitäre Lehrerbildung stellt Gruschka fest, dass bislang zwar mit kurzen Praktika das berufsbezogene Interesse der Studierenden abgespeist werde. „Eine Aufnahme der Erfahrungen in und mit der Praxis in das theoretische Studium wie auch dessen Verlängerung in empirische Beobachtungsaufgaben und Versuche“ stelle wohl eher „die hochschuldidaktische Ausnahme von der Regel dar“.

In diesem Zusammenhang verweist Gruschka auf zwei „Berufsfakultäten“, die, weitgehend unbeachtet von den anderen Fächern,Wissenschaft auch auf den Beruf beziehen und „Berufsprobleme als ein Zentrum des Studiums“ begreifen: „die Juristen mit der juridischen Kasuistik und die Mediziner mit der Ausbildung in der Klinik“. In der Lehrerbildung seien bislang Versuche, ein ähnliches berufsorientiertes Curriculum zu entwickeln, noch nicht zu einem „ansteckenden Modell“ gediehen, zu einer „Bildung für den Beruf im Medium der Wissenschaft“. (S.l2)

Aus der generellen Problematik, dass die Universität „eine kleine Gruppe angehender Wissenschaftler ausbildet, während sie gleichzeitig große Massen von Studierenden auf akademisierte Berufe vorzubereiten hat“, ergeben sich für Gruschka zwei Lösungen; eine schlechte und eine bessere. Die schlechte sei mit „Bologna“ zum Programm gemacht worden: Vor dem eigentlichen akademischen Studium gibt es eine Bachelor-Phase, „mit deren Abschluss die assen mit beschäftigungswirksamen Qualifikationen ins bürgerliche Leben entlassen werden, während eine ungleich kleinere Gruppe über die Phasen des Masters und der anschließenden Promotion wirklich mit Wissenschaft in Berührung“ komme.

Doch das dürfte nur funktionieren, wenn es gelänge, im Bachelor-Studium eine gehaltvolle „Beschäftigungsfähigkeit“ zu erreichen, sodass die Studierenden erkennen, „dass sie lieber und besser ins Berufsleben einsteigen, anstatt weiter zu studieren“. Bislang sei allerdings nur schwer vorstellbar, dass die Universität ausreichend „Phantasie und Kapazität“ hat, im sechssemestrigen Bachelor-Studium „eine solche höhere Berufsausbildung zu realisieren“. Die Folge werde „eine höchst unsichere Integrationsfähigkeit des Bachelors sein, und damit die Tendenz massenhaft werden, die Universität weiter zu besuchen“. (S.13)

Die bessere Lösung besteht für Gruschka „in der schlichten wie konsequenten Idee der Ausrichtung des Studiums auf eine Verwissenschaftlichung der Praxis als Weg zur Professionalisierung“, - einer „wissenschaftlichen Erkundung und Durchdringung der Praxis“. „Forschendes Lehren und Lernen wären nicht das seltene Glanzstück der Hochschuldidaktik, sondern von Beginn an selbstverständliches Zentrum der Praxis von Studierenden“. (S.13)

Wer sich von Beginn an Praxisproblemen zuwendet, der kann, so Gruschka, „nicht bei Adam und Eva anfangen“, sondern muss sich möglichst schnell auf den wissenschaftlichen Stand des jeweiligen Fachs bringen. Wie das erfolgt, etwa durch Selbststudium, sei abhängig von der Struktur des Faches. Auf die Lehrerbildung übertragen könne es jedenfalls nicht darum gehen, „avancierte Fachwissenschaftler auszubilden, sondern möglichst profunde Kenner der Probleme, wie „die Grundlagen der Fachlichkeit verbunden werden können mit den grundlegenden Verstehensproblemen, die sich den Schülern stellen, sobald sie mit den fachlichen Gegenständen konfrontiert werden“. (S.13)

Eine „School of Education“

Die Kritik von Heinz Klippert und Andreas Gruschka aus der Perspektive von Schule und Universität impliziert m.E. klar die Forderung nach einer eigenen Fakultät für Lehrerbildung, analog etwa zur Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten. Die an den meisten Universitäten eingerichteten Zentren für Lehrerbildung sind Reaktionen auf ein Problem, aber noch keine zureichende Lösung.

Was die eigene Fakultät für Lehrerbildung betrifft, gibt es im bildungspolitisch konservativ ausgerichteten Bundesland Bayern seit dem Wintersemester 2009/10 ein Reformprojekt, das für bundesweites Aufsehen sorgt und von dpa unter dem emphatischen Titel angekündigt wurde: „Revolution in der Lehrerbildung: Die TUM School of Education: Lehramtsstudenten sollen eine Heimat bekommen“. Dekan der neuen Fakultät an der Technischen Universität München wurde Manfred Prenzel, der Koordinator der PISA-Studien nach Jürgen Baumert.

Mit der Fakultät für Lehrerbildung und Bildungsforschung in den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) sollen Lehramtsstudierende endlich eine Heimat bekommen und nicht mehr in Fachfakultäten studieren müssen, die mehr am wissenschaftlichen Nachwuchs als an den Bedürfnissen angehender Lehrer/innen interessiert sind. Die neue Fakultät hat ein eigenes Budget und kann eigene Professor/innen berufen. An ihr werde nicht nur gelehrt, sondern auch geforscht. Sie setze besonders auf Bildungsforschung, die u.a. auch neue Unterrichtskonzepte erprobe, in engem Kontakt mit einem Netzwerk von zur Zeit 180 ausgewählten Schulen, an denen die Studierenden schon in den ersten Semestern Praktika absolvieren.

Es gibt Eignungsfeststellungsverfahren und Beratungsgespräche, die den Interessierten helfen sollen festzustellen, ob sie sich zu einem Abschluss als „Master of Education“ eignen. Von den zur Zeit rund 1000 Studierenden wählten etwa 700 den Studiengang „Berufliche Bildung“ für das Lehramt an beruflichen Schulen und rund 300 den Studiengang „Naturwissenschaftliche Bildung“ für das Lehramt an Gymnasien.
(http://bildungsklick.de/ 31.12.2009)

Mit einer Stiftung von mehr als zehn Millionen Euro hat die Unternehmerin Susanne Klatten die Errichtung der neuen Fakultät ermöglicht. In einem Interview (ZEIT, 15.10.09, S.65) mit der Unternehmerin, dem ersten Dekan, Manfred Prenzel, und dem Rektor der TU München, Wolfgang Herrmann, beklagen alle drei die „gespaltene Identität“ von Lehramtstudierenden, die zwischen Fakultäten pendelten, „die sie nicht mal als ihre Studenten“ ansehen. Auf die Frage, was die neue Fakultät anders machen wird, antwortet Prenzel:

Wir müssen für Transparenz und klare Absprachen sorgen. Wie viele Lehrveranstaltungen haben etwa die Physiker und Chemiker in der Lehrerbildung? Welche Inhalte sind für die künftigen Lehrer besonders wichtig? Welche Veranstaltungsformen wären sinnvoll? Das erfordert die ständige Kommunikation mit den anderen Fakultäten. Ergänzt wird das um einen Reigen von Kontakten zu den Schulen und Schülerforschungszentren. Es geht nicht platt darum, den Lehramtsstudenten irgendwie in die Praxis zu schicken. Praktika sind nur sinnvoll, wenn dort systematisch gelernt wird. Wie etwa lege ich ein Schülerexperiment an? Was geht im Kopf der Schülerin vor? Wie muss ich mich daraufeinstellen? Bei uns stehen die Lehramtsstudenten im Mittelpunkt; hier haben sie ein Zuhause.

Dem Einwand des Interviewers, es gäbe doch bereits an vielen Hochschulen Zentren für Lehrerbildung, entgegnet Prenzel: „Diese Zentren steuern aber nicht die Ressourcen, haben oft keine Verbindung zu den Schulen, verfügen über wenig Mittel, und sie sind selten forschungsorientiert.“ Und auf die Frage, ob die neue, gut dotierte Fakultät nicht eher Frust bei den anderen Universitäten auslöse als ein Signal zum Aufbruch, macht Prenzel den Vorschlag:

Man könnte doch an jeder Uni mit einer einfachen Frage beginnen: Wo sind denn eigentlich all die Stellen in den verschiedenen Fakultäten geblieben, die sich der Lehrerbildung widmen sollen? Und welchen Beitrag leisten ihre Inhaber zur Lehrerbildung? Damit könnte eine interessante Dynamik in Gang gesetzt werden.

Auch wenn die neue Fakultät neben Lehrer/innen für berufliche Schulen nur den gymnasialen Studiengang „Naturwissenschaftliche Bildung“ anbietet, lohnt es sich, die Entwicklung an der TU München und ihre Ausstrahlung auf die Lehrerbildung an anderen Universitäten fest im Blick zu behalten. Manfred Prenzels Vorschlag zu fragen, was die Inhaber der für die Lehrerbildungin den einzelnen Fakultäten/Fachbereichen zur Verfügung stehenden Stellen tatsächlich ihrer Bestimmung gemäß leisten, ist ebenso zuzustimmen wie seiner Skepsis gegenüber dem Durchsetzungsvermögen der Zentren für Lehrerbildung.

Unberührt von der gut dotierten „School of Education“ bleibt erst einmal die übrige bayerische Lehrerbildung, - schon was die Ausbildungsdauer der Lehrämter betrifft. Im Lehramt für die Grundschule und die Hauptschule folgt einem sechssemestrigen Bachelor gerade noch jeweils ein Semester; im Lehramt für Realschule sind es zwei und nur im gymnasialen Studiengang kann man mit vier weiteren Semestern von einem Master-Studienang reden. (Bellenberg/Reintjes 2010, S.12 f.).

Das Ende der Spaltung?

Die Eingliederung der Lehrämter für Grund-, Haupt- und Realschulen aus Pädagogischen Instituten bzw. Hochschulenin die Universitäten in den 1960er Jahren entsprach bereits einer Forderung der bürgerlichen Revolution von 1848 nach einer wissenschaftliche Ausbildung aller Lehrer/innen, nur enthielt und enthält diese auf den ersten Blick revolutionäre Reform der 1960er Jahre einen wesentlichen Störfaktor, der das Jahrhundertprojekt entscheidend beeinträchtigt. Unter dem weiten, von der Öffentlichkeit schwer einsehbaren Mantel der Alma Mater blieb ein Eckwert unangefochten, der die Integration nicht nur behindert, sondern sie letztlich zum Scheitern gebracht hat: die unterschiedliche Dauer der Pflichtsemester von sechs für die akademischen Neubürger gegenüber acht für Studierende des gymnasialen Lehramtes, - mit alle den Folgen für die Wahl eines Lehramtes, für das spätere Lehrdeputat, die Besoldung und das gesellschaftliche Ansehen. Erhalten blieb so im Kern eine Lehrerbildung für das „niedere“ und „höhere Schulwesen“ aus dem 19.Jahrhundert, das ja auch die Zeit überdauert hat.

Wer wie ich in seiner täglichen Arbeit als Fachdidaktiker an der Universität Frankfurt die Erfahrung machen musste, wie die Sechs-Semester-Studierenden der Grund-, Haupt- und Realschule mit einem Vielerlei an Anforderungen in zahlreichen Fachbereichen herumgescheucht wurden und nirgendwo wirklich wissenschaftlich Fuß fassen konnten und wie diese Studierenden für ihr stärker berufsorientiertes Interesse die geballte Verachtung der Vertreter der Fachwissenschaften traf, dem erwies sich bald die revolutionäre Reform als folgenreiche Halbheit, die den größten Teil der Lehramtsstudierenden rasch zu akademischen Schmuddelkindern machte. Während viele von ihnen am Ende ihres Pflichtstudiums möglichst umgehend die für sie unwirtliche, praxisferne Universität verließen, dachten Studierende für das Lehramt an Gymnasien in der Regel nicht schon nach den acht Pflichtsemestern, sondern frühestens nach zehn Semestern an ihr erstes Staatsexamen.

Eine gleich lange Ausbildung für alle Lehrämter

Wer trotz solcher Erfahrungen an der universitären Ausbildung für alle Lehrämter festhalten und nicht zur Pädagogischen Hochschule zurück will, die ohnehin nur für das „niedere Schulwesen“ ausbildete und es in Baden-Württemberg immer noch tut, der muss zum einen eine gleich lange Ausbildung für alle Lehrämter fordern und dazu einen gemeinsamen Fachbereich, an dem alle Studierenden von Anfang an erfahren, dass sie für ein bestimmtes, sehr komplexes und gesellschaftlich bedeutsames Berufsfeld ausgebildet werden, - ob für die Kleinen in der Grundschule oder die Älteren in den beiden Sekundarstufen.

Noch vor der „Revolution in der Lehrerbildung“ an der TU München gab es in Nordrhein-Westfalen unter einer konservativ geführten Landesregierung ein Reformprojekt, das so gar nicht in die übrige bildungspolitische Landschaft von NRW passen wollte. Dort war die schwarz-gelbe Regierung von 2005 bis 2010 bemüht, sich in der Verteidigung eines auslesenden Schulsystems von keinem konservativ regierten Bundesland übertreffen zu lassen. Es gab ambitionierte Förderprogramme für die rapide schrumpfende Hauptschule und besonders ausgesuchte Schikanen für die boomende Gesamtschule. Und dennoch kam es zu einem Reformkonzept der Lehrerbildung, zu dem weder eine Jahrzehnte amtierende sozialdemokratische Landesregierung bereit war, noch irgendeine andere Landesregierung.

Am 25.11.2008 beschloss die nordrhein-westfälische Landesregierung aus CDU und FDP einen Gesetzesentwurf für ein gestuftes Modell der Lehrerbildung mit gleichwertigen Studiengängen für alle Lehrämter: ein Bachelor-Studium von 6 und ein Master-Studium von 4 Semestern für das Lehramt an Grundschulen, an Haupt-, Real- und Gesamtschulen, an Gymnasien und Gesamtschulen mit eigener Oberstufe, an „Berufskollegs“ und für ein Lehramt für „sonderpädagogische Förderung“.

Verpflichtend für alle Lehrämter sind Studienelemente für Diagnostik und individuelle Förderung sowie ein „Modul Deutsch für Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderergeschichte“.

Als Stärkung des Praxisbezugs sieht der Gesetzesentwurf vor:

  • ein „Assistenzpraktikum“ vor Aufnahme des Studiums als Erstbegegnung mit dem Arbeitsplatz Schule,
  • ein Orientierungspraktikum zur Erkundung der Institution Schule in der ersten Studienphase (Bachelor),
  • ein Praxissemester im Master-Studium, in dem die Studierenden eigenen Unterricht planen und durchführen und
  • ein Berufsfeldpraktikum zum Ausgang des Master-Studiums, um erste Erfahrung in der Lehrerrolle zu sammeln.

Der Vorbereitungsdienst soll gestrafft, neugestaltet und mittelfristig auf 12 Monate verkürzt werden.

Der Gesetzesentwurf orientiert sich an Empfehlungen einer Expertenkommission unter der Leitung des ersten PISA-Koordinators Jürgen Baumert vom Berliner Max-Planck-Institut, mit folgenden drei Eckpunkten:

  • mehr Praxisanteile im Studium
  • neugestaltetes und verkürztes Referendariat
  • gleichwertige Studiengänge für alle Lehrämter, weil es keine wissenschaftlichen Gründe mehr gibt für unterschiedlich lange Studienzeiten.

(http://bildungsklick.de/ 25.11.2008)

Sucht man nach Motiven einer konservativ geführten Landesregierung für ein so egalitäres Reformkonzept für die Lehrerbildung, so liegt ein Motiv besonders nahe: Die Landesregierung von NRW versucht, wie Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Hessen, mit großer Hartnäckigkeit an eigenständigen Hauptschulen festzuhalten und kann offensichtlich immer weniger begründen, warum Lehrer/innen an Hauptschulen, aber auch an Grundschulen, Real- und Gesamtschulen weniger qualifiziert ausgebildet und für ihre Arbeit honoriert werden sollen als Lehrer/innen an Gymnasien.

Dies inzwischen abgewählte Regierung hatte jedenfalls den Kritikern ihrer rückwärtsgewandten Schulpolitik mit diesem spektakulären Beschluss gehörig Wind aus den Segeln genommen. Insbesondere die beiden größten Lehrerverbände, GEW und VBE, lobten das Konzept als „richtungsweisend“ und „beispielhaft“ (Erziehung & Wissenschaft, 10/07, S.4 und http://bildungsklick.de/ 25.6.08). Der Opposition im Landtag, SPD und Grünen, verschlug es die Sprache. Was da vorgelegt wurde, war nicht mehr zu überbieten im angehenden Landtagswahlkampf und die Lehrerbildung war dann auch tatsächlich kein Thema gegenüber der heftig umstrittenen Schulstrukturfrage. (Merkelbach, Februar 2010)

Während wie in NRW auch in allen übrigen Bundesländer ein sechssemestriges Bachelor-Studium vorgesehen ist, folgte bislang nur Rheinland-Pfalz dem nordrhein-westfälischen Beispiel miteinem viersemestrigen Master für alle Lehrämter, von der Grundschule bis zum Gymnasium und zur Berufliche Schule. Unverständlich bleibt dabei allerdings, warum einzig für das Lehramt an Förderschulen das Master-Studium nur drei Semester dauern soll. Und in Sachsen beschloss die inzwischen abgewählte Große Koalition neben Gymnasium und Förderschuleauch für die „Mittelschule“ einen viersemestrigen Master. (Bellenberg/Reintjes 2010, S.12-14)

Ein Schulstufen übergreifendes Konzept

Der SPD fiel dort, wo sie nach PISA 2000 Regierungsverantwortung trug, zunächst wenig Neues zur Lehrerbildung ein. So hat sie in Rheinland-Pfalz zwar schon 2002 ein Bachelor-Master-Studium geplant, für angehende Grund- und Hauptschullehrer/innen jedochnach einem sechssemestrigen Bachelor einen nur zweisemestrigen Master vorgesehen. Mit dem viersemestrigen Master für Studierende des gymnasialen Lehramtes war so der alterAbstand zwischen „gehobenem“ und „höherem Dienst“ wieder hergestellt. In Nordrhein-Westfalen hat die SPD-geführte Landesregierung bei der Diskussion über die Einführung des neuen Bachelor-Master-Modells schon einmal vorsichtig darüber nachgedacht, ob man es bei Grund- und Hauptschullehrer/innen nicht gar miteinem Bachelor bewenden lassen könnte. (Merkelbach 2007, S.2-4)

Solche sozialdemokratischen Pläne in den Ländern gab es, obwohl die zuständige Arbeitsgemeinschaft für Bildung in der SPD (AfB) bereits 1997 auf Bundesebene ein Lehrerbildungskonzept für die Partei vorgelegt hatte, das in seinen strukturellen Kernaussagen „die Abkehr von der bisherigen Orientierung an verschiedenen Beamtenlaufbahnen“ fordert. Eine veränderte Schülerschaft in allen Schulstufen und Schularten stelle „Qualitätsanforderungen an Lehrerinnen und Lehrer“, „die die bisherigen Unterschiede in der Ausbildungszeit und Besoldung für die Lehrämter nicht mehr rechtfertigten“.

Gefordert wird darum „ein viersemestriges gemeinsames Grundstudium für alle Lehrämter als allgemeine Berufsperspektive, ein viersemestriges Hauptstudium mit je zwei Stufenschwerpunkten: Primarstufe/Sekundarstufe I und Sekundarstufe I/II. Das Grundstudium soll vielfältig Gelegenheit bieten, in den schulpraktischen Studien „Schulen aller Stufen und Schulformen mit ihren pädagogischen und förderdiagnostischen Besonderheiten“ kennen zu lernen und dabei die „individuellen Motive für die Aufnahme des Lehrerstudiums zu hinterfragen“. Am Ende des Grundstudiums sollen die Studierenden dann ihre Berufsentscheidung geprüft haben und in einem Beratungsgespräch „ihre Wahl der Stufenschwerpunkte für das Hauptstudium begründen“. (Merkelbach 2007, S.4-6)

Das Positionspapier der AfB ist nach PISA 2000 und der Debatte über ein Bachelor-Master-Modellfür die Lehrerbildung mehrfach überarbeitet und aktualisiert worden, zuletzt auf einer Ordentlichen Bundeskonferenz der AfB am 16./17.April in Berlin. Der von der Konferenz verabschiedete Leitantrag, der die wesentlichenAussagen des Konzepts noch einmal aufgenommen hat, endet mit der Ankündigung:

Die AfB wird

  1. diese Positionen zur Weiterentwicklung der Lehrerbildung in den Ländern offensiv öffentlich diskutieren und auf die politische Umsetzung hinwirken.
  2. die SPD-Bildungsminister/innen, die SPD-Landtagsfraktionen und die SPD-Bundestagsfraktion auffordern, eine Evaluierung der Lehrerbildung als eigenständigen Bestandteil der Evaluierung des Bologna-Prozesses politisch auf den Weg zu bringen und daraus Schlussfolgerungen für eine verbesserte Lehrerbildung zu ziehen.
  3. im Zusammenhang mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention auf allen politischen Ebenen das Ziel einer Lehrerbildung verfolgen, die den Anforderungen einer inklusiven Schule gerecht wird. (S.22)

Wenn die von der sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft konzipierten gleichrangigen Lehrämter Primarstufe/Sekundarstufe I und Sekundarstufe I/II auch die institutionelle Voraussetzung dafür sein sollen, dass die Übergänge von einer Stufe zur nächsten fließend gestaltet werden können, so stelltsich unter diesem Aspekt die Frage, ob nicht für den verstärkt geforderten sanften Übergang von den vorschulischen Bildungseinrichtungen zur Grundschule auch ein gemeinsames Lehramt für Elementar- und Grundschulpädagogik geschaffen werden sollte.

Da immer mehr wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, wie bedeutsam die kindliche Entwicklung vor der Schulzeit für die kognitive, emotionale, soziale und sprachliche Entwicklung in der Schulzeit ist, gibt es inzwischen kaum noch Widerspruch in der Wissenschaft gegen eine generelle Höherqualifizierung der Erzieher/innen in einem Hochschulstudium. Auch von der Politik wird da und dort schon einmal von einem Bachelor-Studiuman der Fachhochschule gesprochen.

So sehr ein solches Studium die Arbeit von Erzieher/innen aufwerten wird, der Statusunterschied zu den an der Universität ausgebildeten Grundschullehrer/innen bliebe erhalten und würde die Zusammenarbeit der beiden Institutionen insgesamt belasten.

Eine solche Höherqualifizierung hält, gegen alle Erkenntnisse über die besondere Bildsamkeit in der frühen Kindheit und über die immer dringender werdende professionelle Kompensation familiärer Erziehungs- und Bildungsdefizite, das gesellschaftlich festgefügte Vorurteil fest: Für die Kleinen tut es auch eine minder qualifizierte Ausbildung, - was eine geringere Entlohnung und natürlich auch ein geringeres gesellschaftliches Ansehen zur Folge hat.

Und das wird sich wiederum negativ auswirken auf die Wahl des Studiengangs und wird letztlichauch an dem allseits beklagten Zustand wenig ändern, dass es schon in der Grundschule mit dem in der Regel immer noch kürzeren Studium, stärker aber noch in den vorschulischen Einrichtungen so gut wie keine Männer als Bezugspersonen für die Kinder gibt, für die Jungen nicht und nicht für die Mädchen.

Auch der sächsische Kultusminister Roland Wöller (CDU) will die Ausbildung der Grundschullehrer/innen viel enger als bisher mit der der Erzieher/innen verzahnen, aber erst einmal nicht durch eine Höherqualifizierung der Erzieher/innen. Die in der Großen Koalition von vier auf fünf Jahre erhöhte Ausbildungszeit für Grundschullehrer/innen, also ein sechs- und viersemestriges Bachelor-Master-Studium, soll wieder auf vier Jahre und das Referendariat von 18 auf 12 Monate verkürzt werden. (http://bildungsklick.de/ 2.6.2010)

Fazit

Es gibt aus der Perspektive von Schule und Universität triftige Gründe, Lehrerbildung als ein ständiges Ineinander von Theorie und praktischer Erfahrung zu konzipieren, und das von Anfang an. Daraus folgt beinahe zwingend, für ein so komplexes Ausbildungsprojekt, analog zur Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten, eine eigene Fakultät an Universitäten einzurichten.

Diese Fakultät muss nicht modernistisch „School of Education“ heißen, aber wie diese über zureichende personelle und materielle Ressourcen verfügen und angeschlossen sein an ein Netzwerk von „Lernschulen“. Sie kann nicht nur selber Professor/innen berufen, sondern bestimmt dann auch mit bei der Besetzung von Hochschullehrerstellen in anderen Fakultäten, deren Inhaber zur Mitwirkung am gemeinsamen Curriculum für die Lehrämter mit einem Teil ihres Deputats verpflichtet sind.

Auch wenn der schwach sich abzeichnende Trend zur Etablierung gleichrangiger Lehrämter in den übrigen Bundesländern anhält, ist Eiko Jürgens’ Analyse zuzustimmen: Die Schulstruktur ist von der inhaltlichen Frage nach Verbesserung des Unterrichts und einer grundlegenden Reform der Lehrerbildung nicht zu trennen.

Es gibt ja längst auch bei uns viele Schulen, die den Zwang zur Auslese mit den klassischen Instrumenten des Nichtversetzens und Abschulens durch kollegial entwickelte Konzepte individueller Förderung unterlaufen. Für sie und für alle anderen Schulen, in denen das Streben nach homogenen Lerngruppen noch den Schulalltag prägt, braucht es eine Lehrerbildung, die eine förderorientierte Schule fest im Blick hat und die in ihrem Curriculum das Unterrichten in heterogenen Lerngruppen zu einem zentralen Studieninhalt macht.

Literatur

Bellenberg, Gabriele /Reintjes, Christian: Chancen zum Professionalisierungsgewinn durch die Bologna-Reform der Lehrerbildung. Vom großen Wurf zur kleinen Reform. In: Die Deutsche Schule, 1/2010, S.7-20.

Gruschka, Andreas: Was, wenn nicht Bildung für den Beruf im Medium der Wissenschaft? http://forum-kritische-paedagogik.de/ Januar 2010.

Klippert, Heinz: Heterogenität im Klassenzimmer. Wie Lehrkräfte effektiv und zeitsparend damit umgehen können. Weinheim und Basel: Beltz2010.

Merkelbach, Valentin: Wie lange noch eine Lehrerbildung für das „niedere“ und das „höhere Schulwesen“? http://user.uni-frankfurt.de/~merkelba/. Januar 2007.

Merkelbach, Valentin: Die Schulstrukturpläne im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf 2010. http://user.uni-frankfurt.de/~merkelba/. Februar 2010.

Letzte Aktualisierung: 01.05.2010