Die Schulstrukturpläne der Parteien im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf 2010
Februar 2010
Die schwarz-gelbe Regierung in Nordrhein-Westfalen übernahm 2005 von einer rot-grünen Koalition ein viergliedriges Schulsystem mit Hauptschule, Realschule, Gymnasium und Gesamtschule. Dazu kommt noch als fünfte Schulform die Sonderschule. Die letzte SPD-geführte Landesregierung konnte sich im Wahlkampf 2004, nach PISA 2000 und 2003 ein stärker integratives Schulsystem zwar vorstellen, wollte sich aber für den Umbau Zeit lassen und damit nicht den Wahlkampf belasten, den sie dann doch verlor.
Die neue Landesregierung versucht in der laufenden Legislaturperiode dieses überkommene System zu stabilisieren versucht, indem sie das Siechtum der Hauptschule stoppen will und die boomende Nachfrage nach Gesamtschulplätzen so massiv ignoriert, dass in den Schuljahren 2008/09 und 2009/10 jeweils rund 15000 an Gesamtschulen angemeldeten Kinder keinen Platz fanden und so deren Eltern um das Recht der freien Schulwahl gebracht wurden. (Merkelbach 2009, S.4-6)
Diese von einer CDU-Ministerin betriebene Politik ging zuletzt auch dem Koalitionspartner FDP zu weit und sie hat zugleich die beiden Oppositionsparteien zu weitgehenden Reformkonzepten herausgefordert. Es wird darum in der heißen Phase des Wahlkampfes heftiger zugehen als vor der letzten Landtagswahl.
Die Gemeinschaftsschule der SPD
Auf einem Bildungsparteitag am 25.August 2007 beschloss die nordrhein-westfälische SPD eine Schule für die Sekundarstufe I mit folgenden Eckpunkten:
- Die Gemeinschaftsschule nimmt die Kinder nach der Grundschule auf und ist bis zur 10.Klasse für deren Bildungserfolg verantwortlich.
- Am Ende der Klasse 10 können alle Bildungsabschlüsse der Sekundarstufe I erreicht werden.
- In den Klasse 5 und 6 findet für alle Kinder ein gemeinsamer Unterricht statt.
- Ab Klasse 7 oder später wird nach gemeinsamer Entscheidung der Schule, des Schulträgers und der Eltern entweder ein vollständig integrierter Unterricht weitergeführt oder eine Differenzierung beispielsweise in Hauptschul-, Realschul- oder Gymnasialklassen vorgenommen
- Die Gemeinschaftsschule hat eine gemeinsame Schulleitung und ein gemeinsames Kollegium.
- (www.nrwspd.de/bildungsparteitag 2007, S.10f.)
In der Gemeinschaftsschule wird es kein „Abschulen“ mehr geben und Klassenwiederholungen sollen unnötig werden. Die Schule wird anschlussfähig sein für die gymnasiale und die berufliche Oberstufe und beide Bildungsgänge werden zur Hochschulreife führen.
Bei der Einführung der Gemeinschaftsschule setzen wir auf pragmatische, orts- und stadtteilgenaue Lösungen. Dementsprechend müssen die Schulen, die Schulträger und die Eltern gemeinsam die Entscheidung über die innere Organisation der einzelnen Gemeinschaftsschule treffen können. Sie erhalten die rechtlichen Möglichkeiten und die notwendige Unterstützung, um nach ihren jeweils unterschiedlichen Ausgangsbedingungen flexible Lösungen unter Einschluss integrativer Modelle – die wir besonders fördern wollen – zu entwickeln. Nur so kann vor Ort ein breites und wohnortnahes Schulangebot in der Sekundarstufe I erhalten und zeitgleich die Schulstruktur verändert werden. Gesamtschulen werden in integrierter Form weitergeführt. (S.13)
Zur Oberstufe heißt es in dem Beschluss: Schon heute setzten deutlich zurückgehende Schülerzahlen Gymnasien und Gesamtschulen unter Druck. Die Aufrecherhaltung einer Oberstufe sei „nur noch auf Kosten eines reduzierten Kursangebotes möglich“. Darum sei „eine stärkere Verknüpfung bzw. Kooperation mehrerer Oberstufen unausweichlich“ und mache „(auch aus Sicht der Kommunen) ökonomisch Sinn“.
Deshalb werden wir die Bildung von Oberstufenzentren ermöglichen und forcieren. Hierzu werden wir für die Sekundarstufe I kleinere Jahrgangsbreiten ermöglichen und in der Sekundarstufe II stärkere Jahrgangsbreiten vorschreiben. Nur so wird es gelingen, in der Oberstufe auch weiterhin ein ausdifferenziertes Angebote sicherzustellen und gleichzeitig vor dem Hintergrund rückläufiger Schülerzahlen in der Sekundarstufe I ein wohnortnahes umfassendes Bildungsangebot zu erhalten. Zugleich werden wir die Oberstufe zwei und dreijährig ausgestalten. (S.13)
Die Gemeinschaftsschule wurde im SPD-Plan auch als inklusive Schule konzipiert, schon bevor der Bundestag die UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen Ende 2008 ratifizierte, die Deutschland völkerrechtlich zur Inklusion verpflichtet. Der besondere Förderbedarf dürfe, heißt es in dem Plan, „in der Regel nicht zu einer Beschulung in besonderen Einrichtungen führen“.
Jede Bildungseinrichtung entwickelt ein besonderes Angebot für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und für die, die ohne besondere Förderung von Behinderung betroffen sein können. Erst wenn dies nicht ausreicht – wenn Kinder und Jugendliche zu ihrer Entwicklung auf besondere Lernbedingungen angewiesen sind, werden sie in sonderpädagogischen Förderzentren unterrichtet. Ziel ist es dabei, die Kinder so zu fördern, dass sie möglichst bald in das Regelsystem zurückkehren können. (S.4)
Unmittelbar nach Bekanntwerden des Plans beantragten CDU und FDP eine aktuelle Stunde im Landtag mit dem Thema „SPD plant Abschaffung des Gymnasiums – unser Land braucht keine rückwärtsgewandte Schulstrukturdebatte“. Von einem „System sozialistischer Schulfabriken“ war in der Diskussion die Rede. Es folgte eine landesweite Kampagne der CDU mit Plakaten an Gymnasien „Die SPD will diese Schule schließen“ und mit Postkarten „Die SPD-Einheitsschule führt ins Chaos“. Nach Christel Jungmanns Beobachtung erzielte die Kampagne aber „offenbar nicht die beabsichtigte Wirkung“ und wurde „stillschweigend wieder eingestellt“. (Jungmann 2009, S.45)
Die „regionale Mittelschule“ der FDP
In den Koalitionsverhandlungen 2005 hatte sich die FDP mit ihrem Ansinnen, die Gesamtschule abzuschaffen, bei der CDU nicht durchsetzen können, einigte sich aber darauf, Neugründungen von Gesamtschulen möglichst zu erschweren (Frankfurter Rundschau, 22.11.07, S.15), was der Schulministerin zur Zufriedenheit der FDP gelungen ist. Zunehmend unzufrieden aber wurde der kleinere Koalitionspartner mit dem starren Festhalten der CDU an der Dreigliedrigkeit und der Hauptschule.
Auf einem bildungspolitischen Parteitag am 8.November 2008 scherte die FDP demonstrativ aus der Koalitionsdisziplin aus und beschloss ein zweigliedriges System aus Gymnasium und einer „regionalen Mittelschule“, in der Haupt-, Real- und Gesamtschulen unter einem Dach geführt und von einem Lehrerkollegium unterrichtet werden sollen. Diese „Schulform neuen Typs“ soll „auch bei sinkenden Schülerzahlen das Angebot äußerlich differenzierter Bildungsgänge und den Zugang zu mittleren Abschlüssen“ garantieren. Zur Begründung heißt es: Unter den Gymnasiasten sei die Gruppe derer gewachsen, „die keine akademische Ausbildung anstreben, aber keine Alternative in anderen, stärker berufsorientierten Schulformen sehen“. (Beschluss Nr.L08-3-02 des Außerordentlichen Landesparteitages der FDP Nordrhein-Westfalen vom 8.11.08)
„Mittelschule“ heißt auch in Sachsen die Schule für alle Kinder, die nicht aufs Gymnasium gehen und die ab dem 7.Schuljahr in abschlussbezogenen Klassen auf die beiden Abschlüsse der Sekundarstufe I vorbereitet werden. In der Mittelschule der FDP wird es dann auch nur die beiden Bildungsgänge Haupt- und Realschule geben und die Gesamtschule, die ja nicht als eigener Bildungsgang gilt wird in dieser neuen Schule einfach verschwinden.
Die „regionale Mittelschule“, gelegentlich auch „differenzierte Mittelschule“ genannt, ist das, was die CDU inzwischen auch gestattet: eine „Verbundschule“ aus Haupt- und Realschule, erweitert um die Auflage, auch die Gesamtschulen in Mittelschulen umzuwidmen und ihre Oberstufen zu kappen. Das aber geht der CDU, für die die Gesamtschule zwar auch nur ein lästiges „Auslaufmodell“ ist, zu weit, wohl auch angesichts der wachsenden Beliebtheit dieser Schulform und des zu erwartenden Widerstands gegen ihre Abschaffung.
Die Grünen: „eine leistungsfähige Schule für alle Kinder“
Am 26.1.2009 beschließt der Landesvorstand der Grünen unter dem Titel „Bildungsoffensive NRW: Ein starkes Land braucht alle Talente“ eine Schule für alle Kinder, in der „eine neue Lernkultur mit einer förderlichen neuen Schulkultur zu verbinden“ sei. Statt Aussortieren müsse individuelle Förderung diese Schule prägen. Das Ziel dieser Schulentwicklung sei „der Abbau aller Lernbarrieren und eine gemeinsame Schule aller Kinder bis zum Ende der Pflichtschulzeit“. (S.3)
Schule für alle schließt für die Grünen Kinder und Jugendliche mit Behinderungen ausdrücklich ein, ganz im Sinne der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen. Das aber werde in Deutschland und in NRW noch nicht einmal in Grundzügen umgesetzt. Als ersten Schritt auf dem Weg zu einer inklusiven Schule müssten Kinder mit Behinderungen „einen Rechtsanspruch auf gemeinsamen Unterricht in allen Schulstufen und Schulformen haben“. (S.3)
Für die Grünen kann eine solche Schule „nur von unten und mit einer größtmöglichen Einbindung der Beteiligten vor Ort wachsen“. Dieser Prozess soll von den Kommunen ausgehen, die eindrücklich dokumentiert hätten, ihre Verantwortung in der Bildungspolitik wahrzunehmen. „Ohne ein Aufbrechen des starren gegliederten Schulsystems“ stünden „viele Gemeinden vor der Schließung ihrer letzten weiterführenden Schule“, „mit gravierenden Folgen für die betroffenen Kommunen, die an Attraktivität, Lebensqualität und wirtschaftlicher Zukunftsfähigkeit verlieren“ würden. Mit ihrem Antrag auf die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule nach schleswig-holsteinischem Vorbild (inzwischen von der Schulbehörde abgelehnt), unterstützt von den Eltern und der örtlichen Wirtschaft seien die Gemeinden Horstmar und Schöppingen „zum Flagschiff einer kommunalen Bewegung für bessere Schulen geworden“.
Wir Grünen wollen den Kommunen die Möglichkeit geben, in Absprache mit den örtlichen Schulen über die organisatorische und pädagogische Zusammenführung aller weiterführenden Bildungsgänge selbst zu entscheiden. Nur so kann NRW die Schule im Dorf lassen und gewährleisten, dass vor Ort ein vollständiges wohnortnahes Schulangebot mit allen Bildungsabschlüssen erhalten bleibt. Wer das Gymnasium von den Verbünden ausschließt, behindert gymnasiale Bildung gerade im ländlichen Raum und verhindert die qualitative Schulentwicklung, die in NRW erforderlich ist. (S.4)
Ausdrücklich würdigen die Grünen die Arbeit der Gesamtschulen in NRW. Wie die Grundschulen seien sie „Vorreiter bei der Umsetzung und Erprobung von Unterrichtsformen, die integratives Unterrichten und eine gezielte Leistungsförderung von Kindern mit unterschiedlichen Begabungen ermöglichen“. Insbesondere gelinge es der Gesamtschule, „Schülerinnen und Schüler aus bildungsfernen Familien und/oder mit Migrationshintergrund zum Abitur zu führen“. Sie würden immer beliebter bei Eltern, die für ihre Kinder Chancen offen halten wollen und das „Turbo-Abitur“ an Gymnasien ablehnten. Wenn in den vergangenen Jahren fast ein Drittel aller an Gesamtschulen angemeldeten Kinder dort keinen Platz fanden, werde damit das Elternwahlrecht mit Füßen getreten.
Der Neugründung von Gesamtschulen dürfen keine weiteren Steine in den Weg gelegt werden. Seit der Regierungsübernahme haben CDU und FDP die Arbeitsbedingungen der Gesamtschulen immer weiter verschlechtert und die Leistungen der Gesamtschulen – insbesondere im Zentralabitur – zu Unrecht abgewertet und diffamiert. Es ist politisch unverantwortlich, die Gesamtschulen auf kaltem Wege abzuschaffen. Wir Grüne wollen stattdessen die Erfahrungen aus der bisher geleisteten Schulentwicklung an Gesamtschulen, etwa im Bereich Ganztag und individuelle Förderung nutzen, um die neue Reformschule aufzubauen. (S.5)
Für die Grünen sind Unterrichtsqualität und Schulstruktur zwei Seiten einer Medaille. Erst längeres gemeinsames Lernen aller Kinder führe bei Lehrkräften „zur konsequenten Anwendung individualisierenden Unterrichts, in dem Schülerinnen und Schüler in sozialer Gemeinschaft, aber in vielfach unterschiedlichem Tempo und auf unterschiedlichen Wegen lernen, um die best mögliche Qualifikation zu erreichen“. Lehrkräfte müssten in dieser Schule ihren Unterricht ändern, denn keine Schülerin und kein Schüler könne „mehr nach ‚unten’ abgegeben, kein ‚Problem’ an eine andere Schulform verschoben werden“. (S.5)
Die Schulzeitverkürzung in der Sekundarstufe I lehnen die Grünen ab, weil sie den Druck an Gymnasien massiv erhöhe und „zugleich die Durchlässigkeit nach oben zwischen den Schulformen faktisch unmöglich“ mache. Der zwölfjährige Weg zum Abitur könne zwar der Regelfall sein; es müsse aber weiterhin möglich sein, auch nach 13 Schuljahren das Abitur zu machen. (S.8)
Die Grünen wollen Schulen, die integrativ und förderorientiert arbeiten, unterstützen und besonders ausstatten. Das können Gesamtschulen, Gemeinschaftsschulen, Verbundschulen oder auch Gymnasien sein. Sie wollen es den Schulträgern, im Einvernehmen mit den Schulen und den Eltern, überlassen, eine solche für alle Kinder offene inklusive Schule einzurichten.
Schulkampf oder Schulkompromiss?
Die Angst der Grünen vor einem neuen Schulkampf mag begründet sein vor dem Hintergrund jüngster Erfahrungen, als die SPD ihr Konzept einer Gemeinschaftsschule veröffentlichte und die CDU nicht das Florett, sondern den Baseballschläger auspackte. Doch bei der Verschiedenheit der Pläne wird es auf der Suche nach einem Interessenausgleich nicht ohne Streit abgehen, aber letztlich auch nicht ohne die Bereitschaft, sich auf Kompromisse einzulassen.
Selbst bei einer Fortsetzung der schwarz-gelben Regierung wird das, was die FDP mit ihrer „regionalen Mittelschule“ sich vorgenommen hat, mit der schulpolitischen Position der CDU in Einklang zu bringen sein. Ob das leicht oder schwierig sein wird, wird von den Kräfteverhältnissen der beiden Parteien abhängen. Dennoch: Beide Partner sind sich, was ihren Begabungsbegriff angeht, einig, dass man Kinder mit 10 oder auch mit 12 Jahren „begabungsgerecht“ unterschiedlich anspruchsvollen Schulformen zuweisen kann und dass dies auch pädagogisch zu rechtfertige sei. Ob zwei- oder dreigliedrig, - CDU und FDP halten an einem hierarchisch gegliederten System fest, mit stärker berufsorientierten und stärker wissenschaftsorientierten Schulen.
Absehbar ist allerdings auch, dass sich die CDU der Macht des Faktischen beugen wird, weil sie einsehen muss, dass sich die Hauptschule nicht gegen den Willen der Eltern am Leben halten lässt. In einer repräsentativen Umfrage Ende 2009 in Köln wurden Eltern von Kindern im 3.Schuljahr u.a. gefragt, welche Schule sie sich für ihr Kind wünschen, mit dem Ergebnis: 59 Prozent wünschten sich das Gymnasium, 23 Prozent die Gesamtschule, 16 Prozent die Realschule und 1 Prozent die Hauptschule. (Elternbefragung zum Wechsel von Kindern auf weiterführende Schulen in Köln. Dezernat für Bildung, Jugend und Sport. Stand: November 2009. E-Mail: Schuldezernat@stadt-koeln.de)
Von 16 Bundesländern sind es im übrigen nur die 5 Flächenstaaten Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, die immer noch versuchen, die Hauptschule zu retten.
Viel schwieriger als bei Schwarz-Gelb wird es für eine schwarz-grüne Koalition, die ja beide Parteien nicht mehr ausschließen. Da liegen die Positionen pädagogisch und strukturell weit auseinander. Doch das Konzept der Grünen, es den Kommunen, im Einvernehmen mit den Schulen und den Eltern, zu überlassen, wie sie das Schulangebot vor Ort organisieren, bedeutet ja, dass sich gegen den Willen der Betroffenen erst einmal nichts ändert. Allerdings wird die CDU ihre Schikanen gegen die Gesamtschule einstellen und das Elternwahlrecht akzeptieren müssen, was allerdings zugleich das Ende der Hauptschule beschleunigen dürfte.
Das Recht der Eltern von Kindern mit Behinderungen auf einen Platz an der Regelschule, was die Grünen als ersten Schritte auf dem Weg zu einer inklusiven Schule fordern, hat inzwischen auch die amtierende CDU-Schulministerin akzeptiert.
Sollte es nach der Wahl eine Große Koalition geben, wird die SPD mit ihrem Konzept der Gemeinschaftsschule, in dem das Gymnasium in der Sekundarstufe I ganz verschwindet oder nur noch als Schulzweig erhalten bleibt, das Gymnasium wohl doch als eigenständige Schulform akzeptieren müssen, das in Köln sich immerhin 59 Prozent der Eltern für ihr Kind wünschen. Ähnlich wie im lagerübergreifenden Kompromiss zwischen Rot-Grün und der oppositionellen CDU in Bremen könnte die SPD von der CDU eine nicht-gymnasiale Schule fordern (in Bremen heißt sie Oberschule), die auf einem direkten Weg zum Abitur führt. Sie hat eine eigene Oberstufe oder ist einem Oberstufenzentrum zugeordnet. Ein Schulwechsel zwischen den beiden formal gleichgestellten Schulformen ist nur noch auf Antrag der Eltern möglich und die freie Schulwahl der Eltern am Ende der Grundschule ist gesetzlich garantiert.
Wirklich spannend könnte es werden, wenn SPD und Grüne mit einer neu in den Landtag gewählten Linkspartei eine Mehrheit bekommen und auch miteinander regieren wollen. Ähnlich wie bei Schwarz-Gelb gibt es viel Übereinstimmung in pädagogischen Fragen und in der strukturellen Zielsetzung. Das wären hier: gemeinsames Lernen bis zum Ende der Pflichtschulzeit, freie Schulwahl der Eltern am Ende der Grundschule, keine „Querversetzung“ gegen den Willen der Eltern, keine Schulzeitverkürzung in der Sekundarstufe I und die Wahl zwischen 12 oder 13 Schuljahre bis zum Abitur, das Recht auf einen Platz in der Regelschule für Kinder mit Behinderungen als Sofortmaßnahme. Dennoch: der Weg zu einer Schule für alle ist bei SPD und Grünen ein grundlegend anderer.
Als Sylvia Löhrmann, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag in einem Interview nach den Berührungspunkten mit den anderen Parteien gefragt wird, hält sie die CDU mit ihrem sturen Festhalten am gegliederten System für den „letzten Dinosaurier“ in der Strukturdebatte und der FDP bescheinigt sie, sie wolle mit ihrem zweigliedrigen System „das Gymnasium noch elitärer machen und stärker von den anderen Schulformen abschotten“. In der Zielperspektive stünden die Grünen zwar der SPD und der Linkspartei nahe; nur könne man eine neue Schulstruktur „nicht verordnen oder einfach mal als Gesetz beschließen“. Sie müsse „von unten wachsen“ und hierfür müsse man viele Verbündete suchen. Deshalb hätten die Grünen „einen weniger zentralistischen Ansatz als die SPD“. (www.schulstruktur.com )
Sylvia Löhrmann beschreibt auf engem Raum, die unterschiedlich hohen Hürden für verschiedene Koalitionsvarianten nach der Wahl. Wer auch immer dann tatsächlich regieren wird, - gefragt sind Vereinbarungen, die eine hohe lagerübergreifende Akzeptanz versprechen und nicht dem nächsten Regierungswechsel wieder zum Opfer fallen. Solche Vereinbarungen sind gewiss im Interesse der davon betroffenen Kinder und ihrer Eltern; sie geben aber auch den Kommunen mehr Planungssicherheit in einer Situation, in der es bei rückläufigen Schülerzahlen immer schwerer wird, ein komplettes Schulangebot wohnortnahe anzubieten. Gleichzeitig aber ist ein solches Angebot, sind attraktive Schulen zu einem wichtigen kulturellen und wirtschaftlichen Standortfaktor für Kommunen geworden.
Literatur
Jungmann, Christel: Keine Schulstrukturdebatte! Was wird dort diskutiert, wo nicht diskutiert werden soll? In: Pädagogik 4/09, S.44-47.
Merkelbach, Valentin: Erfolgreiche Gesamtschulen vor dem Aus? http://user.uni-frankfurt.de/~merkelba/